Das Kajak : Schlichtheit

Schlichtheit ist der Mut, das Unwesentliche wegzulassen

das kajak schlichtheit

Das Kajak ist ein schlichtes Gefährt. Die Völker des Nordens haben es vor mehr als 4000 Jahren erfunden. Sie nutzten es zum Jagen und zum Erkunden neuer Gebiete. Unser Wort «Kajak» kommt vom grönländischen «Qajaq», was nichts anderes als «Paddelboot» heisst. Früher baute man die Boote, indem man ein Gestell aus Holz oder Knochen mit Tierhäuten überspannte. Heute werden Kajaks aus Polyäthylen, Fiberglas oder Kevlar gefertigt.


Kajaken steht für mich in mehrfacher Hinsicht für Schlichtheit. Zunächst ist die Form des Bootes sehr elementar. Nichts Überflüssiges ist daran. Es ist stromlinienförmig und in seiner Grundform seit mehreren Jahrtausenden praktisch unverändert. Kein Firlefanz, kein Motor, keine Takelage – einfach und dennoch von grosser Eleganz. Diese Einfachheit wünsche ich mir auch im Lebensstil. Klare Formen ohne belastende Extras, die vom Eigentlichen ablenken. Befreiend.

Was Kajaken auch mit Schlichtheit zu tun hat, eröffnet sich, sobald man hineinsteigt. Ich sitze praktisch auf der Wasseroberfläche. Mitten im Geschehen. In einer zerbrechlichen Nussschale auf dem weiten Ozean. Ich nehme die Dimensionen wieder so wahr, wie sie sind. Dieser Perspektivenwechsel ist essentiell wichtig für mich. Ich erfahre, dass mein Schöpfer mich trotz meiner Winzigkeit sehr ernst nimmt. Ich darf die einzigartige Person sein, als die er mich gestaltet hat. Nicht mehr und nicht weniger. Befreiend.

Und: Keine Kajakexpedition ohne Reduktion. Wenn ich für zwei bis drei Wochen in die Wildnis hinauspaddle, muss mein ganzes Leben im Boot Platz finden – Zelt, Schlafsack, Kleider, Verpflegung. Es gibt da draussen keine Möglichkeit einzukaufen. Ich muss mich beschränken, muss schlicht werden. Das kann am Anfang weh tun. Warum dieses oder jenes zurücklassen? Was brauche ich wirklich? Dann lege ich ab – und erlebe, wie diese Beschränkung mich immer leichter werden lässt. Das wenige wird kostbar. Zeit für das Wesentliche ergibt sich, weil ich viel Unwesentliches am Ufer lassen musste, respektive durfte. Befreiend.


© 720grad Text und Illustration aus dem Bildband «Der Ruf der Wale» 

Das Buch kann direkt hier bestellt werden Buch Ruf der Wale

Der Ruf der Wale



Weitere Interessante Fotos und Filme finden Sie auf der Webseite von Peter Schäublin 720Grad

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